1985 feierte Alfa Romeo sein 75. Firmenjubiläum und stellte mit dem „75“ den Nachfolger der „Nuova Giulietta“ von 1977 vor. Kurz danach wurde der eigens für Rennen entwickelte 75 Turbo Evoluzione vorgestellt. Die IMSA-Version, die für die Teilnahme am Giro d'Italia 1988 entwickelt und im Jahr darauf noch leistungsfähiger gemacht wurde, war dann das PS-stärkste Modell, das am meisten Siege einfuhr.
Dem Centro Stile Alfa Romeo gelang unter der Leitung von Ermanno Cressoni der magische Coup, die moderne Giulietta Bj. 1977 so umzubauen, dass die Mechanik noch leistungsstärker war: Motor vorne, Schaltung und Getriebe hinten. Die im Vorfeld des Genfer Auto-Salons 1986 in „Rennmontur“ vorgestellte Version 1.8i Turbo Evoluzione wurde mit dem ausdrücklichen Ziel gebaut, die Genehmigung für Fahrzeuge der Gruppe A in der 3-Liter-Klasse zu erhalten. Zur Ermittlung der Klasse, der ein aufgeladener Motor zuzurechnen ist, wird der Hubraum mit einem spezifischen Wert multipliziert; damals verwendete man zur Multiplikation den Faktor 1,7.
Um wieder der 3000er-Klasse zugerechnet werden zu können, wird der ursprüngliche Hubraum von 1779 cm3 – der dann insgesamt bei 3024 läge – leicht gesenkt: auf 1762 cm3; diese Reduzierung des Hubraums ist auf Leistungsebene unerheblich, wirkt sich aber auf Aufladungsdruck und Ansaugleitungen aus. Die großen aerodynamischen Flügel – Spoiler und Schweller – senken den cw-Wert und steigern somit deutlich die Höchstgeschwindigkeit. Bei gleicher Leistung wie der 75 1.8i Turbo (155 ps) erreicht die Straßenversion des Evoluzione eine Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h.
Im Vergleich zur Straßenversion des Alfa Romeo 75 Turbo Evoluzione hat das bei Rennen der Gruppe A eingesetzte Modell ein Chassis, das noch leichter und robuster ist; zur Erhöhung von Präzision, Steifigkeit und Robustheit wurden die Verbindungselemente zwischen Chassis und Mechanik durch kugelförmige Metallgelenke ersetzt. Die an der ersten Version vorgenommenen Änderungen ermöglichten eine Erhöhung der Motorleistung auf etwa 290 ps.
ALFA ROMEO 75 TURBO EVOLUZIONE IMSA - 1988
ALFA ROMEO 75 TURBO EVOLUZIONE IMSA - 1988
ENGINE
4-inline, anterior longitudinal, DOHC, multipoint injection, turbo Garret, 1762 cm³
POWER
around 400 HP @ 7.100 rpm
Um am Giro d’Italia des Jahres 1988 teilnehmen zu können, passte Alfa Corse den „75 Gruppo A“ den Reglement-Anforderungen der „International Motor Sport Association“ (IMSA) an. Ergebnis: Der bis dahin leistungsstärkste 75, der Alfa Romeo 75 Turbo Evoluzione IMSA. Der Anfangserfolg motiviert Alfa, auch 1989 zu dem Rennen anzutreten. Die Bilanz: zwei überwältigende Erfolge mit drei Fahrzeugen unter den ersten drei bei beiden Rennen.
Im Jahr 1988 veranstaltet der Automobile Club di Torino die neunte Auflage des Giro Automobilistico d’Italia. Neben Fahrzeugen der Gruppen N und A sind hier auch Wagen zugelassen, die nach dem Endurance-Reglement der US-Institution IMSA als höher entwickelt und leistungsstärker eingestuft werden; hierzu zählen auch die Gruppe 5 und GT-Prototypen. Alfa Corse gelingt es unter Leitung von Giorgio Pianta in nur zwei Monaten, einen neuen, die IMSA-Anforderungen erfüllenden 75 Turbo Evoluzione zu bauen; federführend in der Durchführung: Testpilot Giorgio Francia.
Das IMSA-Reglement ermöglicht größere Freiheiten bei Veränderungen am Fahrzeug. So wird die Spurweite erhöht, die Räder mit auffälligen Kunststoff-Kotflügeln überbaut, und der große Kohlenstofffaser-Spoiler über dem Kofferraum fällt nun noch höher aus. Weitere Gewichtseinsparungen reduzieren den Alfa auf dynamische 960 kg. Wie bei Rennfahrzeugen oftmals der Fall, bestehen keine exakten Vorgaben mit Blick auf die Höchstleistung; diese richten sich vielmehr nach den Bedingungen der jeweiligen Rennstrecke. Und so erfahren diese Fahrzeuge im Laufe ihres Renn-Lebens bedeutende Leistungsveränderungen: von ca. 335 ps in der Version von 1988 zu 400 ps in der Rennversion des folgenden Jahres.
Die Auto-Version des Giro d’Italia ist ein Wettbewerb, der die Faszination für die Rennstrecke mit der für Rallys miteinander vereint, weil hier Wettbewerbe auf den renommiertesten Rennstrecken Italiens (Monza, Misano, Varano und Vallelunga) ausgetragen werden. Es gibt aber auch Spezialprüfungen auf Straßen, die Schauplatz bedeutender nationaler und internationale Rallys sind. Kein Wunder also, dass sich die Mannschaften aus einem Renn-Champion und einem Pilot und Beifahrer aus dem Rally-Bereich zusammensetzten. Zum Wettbewerb des Jahres 1988 meldet Alfa Corse drei Fahrzeuge an, die in folgender Reihenfolge ins Ziel fahren: Patrese/Biasion/Siviero, Larini/Cerrato/Cerri und Nannini/Loubet/Andrié. Im Jahr darauf gelingt Alfa ein Sieg auf ganzer Linie: auf dem Podium stehen ausschließlich italienische Fahrer, mit den Teams Francia/Cerrato/Cerri vor Larini/Biasion/Siviero und D’Amore/Noberasco/Cianci – Letztere in einem 75 Turbo Evoluzione der Gruppe A –, gefolgt vom dritten 75 IMSA mit dem Team Guerrero/Loubet/Andrié.
Der herrliche Alfa Romeo 75 Turbo Evoluzione IMSA aus der FCA Heritage-Sammlung wird im Historischen Alfa-Romeo-Museum ausgestellt. Es ist das Fahrzeug, das Larini/Biasion/Siviero in der Ausgabe von 1989 fuhren.