Der 1966 präsentierte Fiat 124 Sport Spider war von der Fiat-Geschäftsleitung nicht für sportliche Zwecke gedacht: Es waren die Privatrennfahrer, die in dem von Pininfarina designten agilen Fahrzeug ein für den Rennsport geeignetes Auto sahen. Fiats offizieller Eintritt in die Welt der Rallyes vollzog sich in kleinen Schritten, den 124 entwickelte das Unternehmen stufenweise mithilfe des Abarth, bis 1972 und 1975 die Europameisterschaft erobert wurde.
Die Fiat 124 Limousine wurde 1966 als Ersatz für den mittlerweile in die Jahre gekommenen Fiat 1300 gebaut, und sie bekam sofort drei Geschwister: eine vielseitige Familienversion, ein Coupé und einen Spider. Während das Coupé im Fiat Stilzentrum entstand, überließ Fiat dem Karosseriebauer Pininfarina die Spider-Version.
Der niederländisch-amerikanische Designer Tom Tjaarda verkürzte die Ladepritsche der 124 Limousine und des Coupés und kreierte ein kompaktes 2+2-Cabriolet mit harmonischen Linien: Es war die Geburtsstunde des Fiat 124 Sport Spider. Das geringe Gewicht und die später dazu kommenden Sportmotoren beeinflussten sowohl das Straßenverhalten als auch die Zukunft bei Wettkämpfen.
Der außergewöhnliche Spider wird ein sehr langes Leben und auch in Übersee große Erfolge feiern, um dann wieder den alten Kontinent für sich zu gewinnen und seine Karriere bis Mitte der 80er Jahre mit den ruhmreichen Pininfarina Spidereuropa fortzusetzen. Ein kürzlich in den Officine Classiche von FCA Heritage restauriertes Exemplar wird jetzt am Heritage HUB ausgestellt.
Sein Debüt feierte er 1969, als einige Privatrennfahrer mit dem 124 Sport Spider 1. Serie mit Vierzylinder-Bialbero mit 1438 ccm an nationalen Wettkämpfen teilnahmen. Obwohl seine Leistung unter 100 PS lag, machten ihn seine Robustheit und optimale Straßenlage, ein Verdienst der Gewichtsverteilung, zu einem für Wettrennen äußerst tauglichen Fahrzeug.
Die erzielten Resultate waren für Fiat Ansporn, ganz offiziell in Rallyes einzusteigen. 1970 wurde der Hubraum des Motors auf 1608 ccm getrimmt und die Leistung erreichte die 110 PS: Mit dem potenzierten neuen Fahrzeug nahm Fiat mit Alcide Paganelli und Ninni Russo an der Rallye-Meisterschaft 1970 teil und eroberte den nationalen Titel trotz der kämpferischen Konkurrenz der Lancias Fulvia Coupé HF.
Der Sieg der italienischen Meisterschaft und die Übernahme von Abarth - der vom Fahrzeughersteller und -ausstatter zur offiziellen Motorsportabteilung wird - veranlassten das Turiner Autohaus, 1971 ein eigenes offizielles Team zu präsentieren. Und so stellten sie bei Wettrennen sowohl die 125 S Limousine als auch den 124 Sport Spider auf.
Auf den engen und kurvenreichen Straßen der Insel Elba bestätigte Luciano Trombotto dann die Wettbewerbsfähigkeit des Spiders, indem er das Rennen in zwei Folgejahren gewann.
Die Erfolgsreihe setzte sich insbesondere in der Saison 1972 fort, als Lele (Raffaele) Pinto, gesteuert von Gino Macaluso, mit einem um 90 kg leichter gebauten 124 Sport Spider bei der Rallye Costa Brava siegreich ins Ziel fuhr. So begann eine Reihe weiterer fünf Siege: die Semperit-Rallye in Österreich, Polen, Jugoslawien und nochmals in Österreich bei der Rallye der 1000 Minuten. Mit diesen Erfolgen und den beiden in Italien eroberten 2. Plätzen bei der Rally di San Martino di Castrozza und der Rallye der Insel Elba, gewannen Pinto – Macaluso und der Fiat 124 die Rallye-Europameisterschaft. In derselben Saison eroberte Lancia mit dem Fulvia HF 1.6 die Konstrukteursweltmeisterschaft: Der Triumph der Fiat-Gruppe war nun komplett.
Mittlerweile auf den Namen Fiat 124 Abarth Rally getauft, erhielt das Fahrzeug Ende 1972 die Zulassung für Wettrennen in der Gruppe 4.
Der 124 hatte sich weiterentwickelt, der auf 1800 ccm getrimmte Motor erreichte 128 PS, die sich mit der Ausarbeitung zur Gruppe 4. sogar auf stolze 170 PS steigerten. Die Radaufhängungen veränderten sich und auch das Aussehen glich mehr und mehr einem echten „Rennwagen“: ohne Stoßdämpfer, mit Kotflügeln aus Kunststoff, Roll-Bar und Rennfahrersitzen. Aus Sicherheits- und Zulassungsgründen hatte man das Dach aus Tuchstoff bereits durch ein leichtes steifes Dach ersetzt und auch der Name ließ nicht mehr auf den Original-Spider schließen. Debüt war die Rallye von Monte Carlo 1973: Pinto-Bernacchini gewannen zwar nicht, setzten sich aber vor die gefürchteten Fulvias HF, die im Vorjahr triumphiert hatten.
Bei der Sanremo 1973 wurden Verini-Torriani Zweite und weitere Fiats 124 Abarth Rally platzierten sich nochmals vor den offiziellen Lancias HF.
Mit der Saison 1974 erschien der 16-Ventil-Zylinderkopf und die PS-Zahl stieg auf 200. Der neue Fiat 124 Abarth Rally debütierte mit einem Dreifachsieg bei der TAP Rallye von Portugal, bei der Pinto-Bernacchini vor den Kollegen des Teams Paganelli-Russo und dem jungen Finnen Markku Alen, gesteuert von Kikki Kivimaki, das Ziel erreichten. Im selben Jahr wurden die 124 Abarth Rally zum ersten Mal auch für Safari-Rallyes in Afrika ausgerüstet: verstärkte Radaufhängungen, zusätzliche Luftfilter, vordere Stangen, um den Kühler vor Stößen durch eventuell umherziehende Tiere zu schützen. Das Rennen selbst erwies sich als nicht besonders glücklich, aber die gesammelte Erfahrung würde auf jeden Fall in der Zukunft nützlich sein.
Der Fiat 124 Abarth Rally entwickelte sich kontinuierlich weiter und für die Saison 1975 hatte das Fahrzeug eine neue Motorhaube mit Lufthutzen und zwei zusätzliche integrierte Scheinwerfer, während die breiteren hinteren Kotflügel über einen Lufthutz für die Bremsen verfügten. Dank der Einspritzung gewann der Motor noch weiter an Leistung und erreichte jetzt die 215 PS. Die großen Erfolge der Saison stellten sich mit der Rallye von Portugal ein, bei der sich Alen- Kivimaki vor den anderen offiziellen 124 Abarth von Hannu Mikkola, gesteuert vom jungen Jean Todt, setzten. Der Sieg, der in die Annalen eingeht, ist jedoch das Werk von Maurizio Verini, der die Rallye-Europameisterschaft 1975 eroberte. Verini – Rossetti siegten in Frankreich, Spanien, in Italien bei der Rallye der Insel Elba, in Jugoslawien und Polen, und werden Zweite bei der San Martino di Castrozza. In derselben Saison fahren auch Cambiaghi – Sanfront Siege und wertvolle Punkte für das Fiat-Team ein, als sie bei der Rally Alpi Orientali den Rekord aufstellten, sowie Bacchelli – Scabini in Bulgarien. Zwischen Siegen und Platzierungen traf so der zweite europäische Titel ein, den der zum Abarth Rally gewordene Fiat 124 eroberte.
Die letzte offizielle Teilnahme des Fiat 124 Abarth Rally Gr. 4 mit der neuen blau-gelben Livree des Sponsors Olio Fiat war die Rallye Monte Carlo 1976: Im Wettrennen triumphierte Lancia, das inzwischen dabei war, mit dem legendären, für einige Jahre schier unschlagbaren Stratos Erfolge zu ernten. In der Tat landete Markku Alen mit dem 124 auf dem 6. Platz. Danach wurde der 124, wie bereits in seinen Anfängen, dank seiner sprichwörtlichen Zuverlässigkeit erfolgreich von vielen Privatrennfahren genutzt. Nachdem 995 Exemplare aus den Officine Abarth am Corso Marche in Turin gerollt waren, wurde die 1972 begonnene Produktion des Fiat 124 Abarth Rally im Jahr 1975 eingestellt. Das Exemplar im Besitz der Firmensammlung ist jenes, das Maurizio Verini und Francesco Rossetti in der Saison 1975 fuhren. Es ist perfekt funktionstüchtig und wird normalerweise im Bereich „The Rally Era” am Heritage HUB ausgestellt und außerdem für die wichtigsten europäischen Oldtimer-Veranstaltungen engagiert.