In der ersten Hälfte der 1990er Jahre erweiterte und differenzierte Fiat seine Produktpalette: Dies führte zur Entwicklung einer Reihe von sportlichen Fahrzeugen mit ausgeprägter Persönlichkeit und hoher Funktionalität. Sie wurden vom Centro Stile Fiat entworfen und stützten sich synergetisch auf bestehende Plattformen. Unter ihnen ragt das Fiat Coupé heraus.
Die 1990er Jahre waren ein Schlüsselmoment für Fiat: Unter der Leitung von Paolo Cantarella gab es einen starken kreativen Entwicklungsschub. Der Ingenieur aus dem Piemont drängte das Unternehmen, seine Produktion noch stärker zu differenzieren. Zu diesem Zweck betraute er den Ausbau des Centro Stile Fiat dem Architekten Ermanno Cressoni an, der bereits die Designabteilung von Alfa Romeo geleitet hatte, bevor er nach Turin kam. Es entstand ein Team, das in der Lage war, Autos aller Art anzubieten: von der traditionellen Limousine bis zum originellen Multi-Space, aber auch brillante Sportcoupés und Spider.
Um eine Momentaufnahme jenes legendären Kreativ-Thinktanks zu erhalten, haben wir die Aussagen des Designers Roberto Giolito eingeholt, der damals gerade zum Team gestoßen war und heute Leiter von Stellantis Heritage ist. „Wir gehen davon aus, dass das Centro Stile Fiat wirklich in jenem Moment geboren wurde“, sagt Giolito, „nachdem es den externen Sitz in den historischen Karosseriewerken von Boano verlassen hatte und zu einer pulsierenden, multiethnischen Realität wurde, die eine immer wichtigere Rolle innerhalb des Unternehmens spielt.“ Der umfangreiche Mitarbeiterstab unter der Leitung von Ermanno Cressoni vereint den innovativen Geist der Amerikaner Chris Bangle und Mike Robinson und die Kreativität des Griechen Andreas Zapatinas mit einem Team junger italienischer Talente, zu denen auch Giolito selbst gehört.
Die Beiträge des Einzelnen werden geschätzt, aber das Endprodukt ist stets das Werk eines eng zusammenarbeitenden Teams. Der Kreativitätsanteil ist hoch: überaus innovativ, oft sogar unkonventionell, aber immer äußerst praktisch und funktionell. Die hier getroffenen Entscheidungen haben nicht nur einen ästhetischen Zweck, sondern ergeben sich aus der Notwendigkeit, die Ergonomie und die Gesamteffizienz des Autos zu verbessern. Und auch als die ersten Computer auftauchten, um die Arbeit zu unterstützen, wird weiterhin traditionell modelliert, Plastilin geknetet oder Modelle im Maßstab 1:1 von Hand mit Gips-Scagliola gebaut – in einem Prozess, den Giolito als „digital-manuell“ definiert, da er auch auf Designplänen basiert, die mit Hilfe von Computern entworfen wurden.
In diesem Kontext entstand das Fiat Coupé, das von der von Chris Bangle geleiteten und von Ermanno Cressoni betreuten Gruppe entwickelt wurde. Das Auto ist in seiner Form innovativ und der lebendige Beweis für den Nutzen industrieller Skalenvorteile: Das Originalfahrzeug wird auf der Plattform „Tipo 2“ gebaut, die bereits mit dem Fiat Tipo und Tempra sowie dem Lancia Dedra und Alfa Romeo 155 ihre Vielseitigkeit im Segment C unter Beweis gestellt hat.
In ihrem markant „avantgardistischen“ Geist nehmen die Linien nichts bereits Gesehenes auf, angefangen bei der Motorhaube (ital. Parafango), die sich so weit ausdehnt, bis sie zum Kotflügel wird: für die Originalität der Lösung wurde dann folglich auch der Spitzname Cofango geprägt.
Die Seiten sind hoch, ebenso wie das kurze dritte Volumen, das die Gesamtform mit einem abgeschnittenen Heck abschließt. Verstärkt wird das Ganze durch Verrippungen, die die hinteren Kotflügel umreißen und der von der Motorhaube gezeichneten Neigung folgen, die die Rille über einen Teil der Tür verlängert. Die verglasten Flächen umschließen den viersitzigen Innenraum, der viel größer ist, als er von außen erscheint: Die Windschutzscheibe ist sportlich geneigt, während die seitliche „Verglasung“ die Dynamik der schrägen „Kratzer“ an den Kotflügeln betont. Die Heckscheibe geht in den Kofferraumdeckel über und erzeugt so eine typische Dreivolumen-Silhouette, die am Heck durch zwei runde Einbaulampen gekennzeichnet ist.
Die Originalität der neuen Styling-Elemente wird durch Details ergänzt, die von der Welt des Rennsports inspiriert sind und den schnittigen Look verstärken: vom aggressiven vorderen Lufteinlass bis zum sichtbaren Tankdeckel aus Metall mit Schnellverschluss, von den Frontscheinwerfern mit einer Abdeckung mit doppelter Blase, bis zu den vier runden Rückleuchten. Im Innenraum dann das Armaturenbrett mit einem zur Karosserie passenden Querstreifen, der an die Sportwagen aus der Vergangenheit erinnert, deren Armaturenbrett stets in der Karosseriefarbe lackiert war. Auch die Aerodynamik kommt nicht zu kurz, was durch die ausgeprägte Verjüngung der Motorhaube und die in die Säule „eingebetteten“ Türgriffe unterstrichen wird.
Giolito erzählt eine Anekdote, die sich bei der Präsentation des endgültigen Prototyps vor der Unternehmensleitung ereignete. In Bezug auf die gewellte Scheinwerferverkleidung wandte man ein, dass sie den Einbau von Scheinwerferwischern nicht zulasse. Der Konstrukteur Cressoni antwortete daraufhin geistesgegenwärtig, holte ein Tuch aus der Tasche, strich mit ihm über die Folie und begleitete diese Geste mit dem Satz: „Sie werden mit Liebe gereinigt“. Die Verkleidungen zum Schutz der Scheinwerfer blieben, was die Originalität des „Cofango“ noch weiter hervorhob.